Bruder Klaus von Flüe schreibt seinen Brief aus Dankbarkeit dafür, dass die Berner Ratsherren ihm mit einem grossen Geldgeschenk dokumentieren: Wir wissen zu schätzen, was du uns im Namen Jesu vermittelt hast.
Die Liebe freut sich mit der Wahrheit, schreibt der Apostel Paulus. Die Wahrheit aber ist nichts, das ein Mensch in einem Gedanken festhalten kann. Sondern sie gibt sich Schritt für Schritt zu erkennen, wo immer Menschen sich leiten lassen von dem, was Jesus ihnen vorgelebt und zurückgelassen hat.
Jesus hat Streitgespräche provoziert. Und er hat seine Jüngern naive Fragen entlockt und hat ihre voreilig geäusserten Einsichten oft ziemlich barsch korrigiert. In manchmal sehr heftigen Wortwechseln machte er klar, was seine Gefolgsleute ihr Leben lang von ihm zu lernen haben – in dem, was sie glauben und in dem, wie sie ihr Leben führen.
Auch die Psalmen führen die Beter in heftige innere und äussere Auseinandersetzungen. Und den Propheten Jesaja und Jeremia wie dem Apostel Paulus gelingen besonders ergreifende Formulierungen oft dann, wenn sie ihren Gegnern widersprechen müssen. Auch Bruder Klaus musste im Auftrag seiner Gemeinde gegen seinen Ortspfarrer prozessieren und so seine ersten Erfahrungen im Kampf um die Wahrheit sammeln. Zwei Generationen später schrieb Martin Luther: Erst der Angriff des Erasmus hat mir noch einmal klar gemacht, was das Evangelium uns zu erkennen gibt – und was es geheimnisvoll verborgen sein lassen will. „Allein die Anfechtung lehrt aufs Wort merken“, übersetzt er Jesaja 28,19.
Dementsprechend sucht auch die Stiftung Bruder Klaus die klärenden Auseinandersetzungen, wie sie hier dokumentiert sind. Dabei wird hoffentlich deutlich, das nicht Menschen beurteilt werden, sondern dass Worte und Taten, und dass wir Spätergeborenen niemals so harte und scharfe Urteile ausformulieren dürfen, wie Jesus, seine Apostel und die biblischen Propheten das getan haben. Dazu sind wir weder berufen noch durch letztgültige Erkentnisse befähigt.