Der Brief

Was Niklaus von Flüe in seinem Leben erkannt hat, fasst er in seinem Brief in knappe Worte:

Den Ehrwürdigen! Der Name Jesus sei euer Gruss, und wir wünschen euch viel Gutes und danken euch viel Gutes und der Heilige Geist sei euer letzter Lohn. Ich danke euch ernst und sehr eure freundliche Gabe, denn ich erkenne dadurch eure väterliche Liebe, die mich mehr freut als die Gabe. Ihr sollt wissen, dass ich ein grosses Genügen daran habe, und wäre sie auch die Hälfte kleiner, so würde mir das noch immer ganz genügen. Und wenn ich es um eure Liebe könnte verdienen, Gott oder der Welt gegenüber, so wollte ich das tun mit gutem Willen. Der Bote, dem ihr’s aufgegeben, hat mir’s förderlich gebracht. Bitte, lasst ihn euch auch empfohlen sein.

Von Liebe wegen schreibe ich euch mehr. Gehorsam ist die grösste, die im Himmel und auf dem Erdreich ist. Darum sollt ihr schauen, dass ihr einander gehorsam seid, und Weisheit ist das allerliebst deswegen, weil sie alle Dinge zum besten anfängt. Fried ist allweg in Gott, denn Gott ist der Fried, und Fried mag nicht zerstört werden, Unfried aber würde zerstört. Darum sollt ihr schauen, dass ihr auf Fried abstellt, Witwen und Waisen beschirmet, wie ihr noch bisher getan. Und wes Glück sich auf dem Erdreich mehret, der soll Gott dankbar dafür sein, so mehret es sich auch im Himmel. Den offenen Sünden soll man wehren und der Gerechtigkeit allweg beistehen.

Ihr sollt auch das Leiden Gottes in Euren Herzen tragen, denn es ist des Menschen grösster Trost an seinem letzten End. Es ist mancher Mensch, der ist zweifelhaftig am Glauben, und der Teufel tut manchen Einfall durch den Glauben und allermeist durch den Glauben. Wir sollen aber nicht zweiflerisch darin sein, denn er ist so, wie er gesetzt ist, und ich schreibe euch nicht darum, weil ich glaubte, ihr glaubet nicht recht; mir zweifelt nicht daran, dass ihr gute Christen seid; ich schreibe es euch zu einer Vermahnung, dass, wenn der böse Geist jemanden darum ansucht, er desto ritterlicher widerstehe. Nicht mehr. Gott sei mit euch.

Gegeben auf St. Barbaratag im 82. Jahr. Darum habe ich mein eigen Insiegel auf diesen Brief drucken lassen.
Ich Bruder Klaus von Flüe

Das Original des Briefes liegt im Staatsarchiv Solothurn. Der Zürcher Reformator Heinrich Bullinger liess sich von ihm eine Abschrift erstellen.


 

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