Reaktionen auf das Bekenntnis

Confessio Augustana, Sonderdruck Einführung in das Bekenntnis der Stiftung

Vortrag von Prof. Dr. Thomas Kothmann am 12. März 2018 in Bern:
Zwischen Thesen, Befindlichkeit und Bekenntnis

Der Bekenntnisentwurf, der dem Brief von Bruder Klaus an die Berner Ratsherren vom 4. Dezember 1482 entlang geht, bündelt Grundelemente des biblischen und kirchlichen Erbes, die für die Klärung der gegenwärtigen Situation äusserst hilfreich sind. Der Grundzug ist, dass nicht menschliche Erfahrungen, Bedürfnisse und Vernunft, sondern das Wort Gottes, wie es in der Bibel bezeugt ist, und das Handeln Gottes in Israel und Jesus von Nazareth darüber entscheiden, was als wahr und gut gelten darf. Sowohl Gehorsam gegenüber den Stiftungen Gottes wie auch Dankbarkeit für seine guten Gaben kennzeichnen den damit aufgezeigten Weg, wogegen menschliche Vorschaltungen und vermeintliche Überbietungen des von Gott Gegebenen, ebenso wie Versuche, Gottes Ordnungen in menschliche Kategorien einzusperren, als Fehlwege zurückgewiesen werden. So werden das Wort Gottes in der Bibel und die durch Gottes Handeln in der Geschichte gesetzten Ordnungen zu einem echten Gegenüber, von dem sowohl Befreiung als auch Bewahrung und Korrektur ausgehen.
Aus bibelwissenschaftlicher Perspektive ist besonders wichtig, dass keine vorgefassten, faktisch vom jeweiligen Zeitgeist geprägten Zugangs- und Erklärungsmodelle das Bibelwort eingrenzen und einem vereinheitlichenden Deutungshorizont einzwängen sollen (vgl. v.a. These 4). Das ist sowohl gegenüber fundamentalistischen Engführungen, sofern sie mit nicht-biblischen Abstraktbegriffen wie «Irrtumslosigkeit» arbeiten oder bestimmte a-historische Textdeutungen verabsolutieren, festzuhalten, als auch gegenüber kritischen Engführungen, die das Bibelwort mit a-theistischen Voraussetzungen untersuchen und säkulare ethische Normen über dieses stellen.
Prof. Dr. Markus Zehnder, Kristiansand, Norwegen, und Basel

Dankbar lese ich dieses Glaubensbekenntnis. Die 15 Thesen wollen sammeln und zugleich notwendige (schützende) Abgrenzungen vollziehen. Dabei werden Erkenntnisse festgehalten, die auf das Zeugnis früherer Hirten und Lehrer (beispielhaft: Niklaus von Flüe) aufbauen und gemeinsam mit diesen aus der Schrift schöpfen und gegenüber der Schrift verantwortet werden müssen. Dies ist nicht nur eine allgemeine Voraussetzung für die Arbeitsweise, sondern fliesst wegweisend für jedes theologische Arbeiten und kirchliche Reden auch in die Thesen (2, 4, 15) mit ein. Auffallend sind scheinbar altertümliche Begriffe wie zum Beispiel „Ehre“, „Schönheit“, „Gehorsam“, die quicklebendig das Nachdenken provozieren. Dies scheint mir die Frucht aus der jahrelangen Predigtarbeit des Verfassers zu sein – wer eine Weile unter seiner Kanzel sass, dem sind diese Dinge ja nicht unvertraut. Nur aus der exegetischen Arbeit scheinen sich mir Gedankenketten zu erschließen wie z.B. Liebe – Erkennen, Gehorsam – Berufung, Weisheit – Schönheit – Ordnung, Leiden – Trost – Erlösung – Würde. Manche Stichworte und Sätze empfinde ich geradezu als befreiend. Gleich die These 1 zimmert den heilsgeschichtlichen Rahmen in der bleibenden demütigen Verbindung des erwählten Gottesvolks und den Völkern. Oder die Thesen, in denen die Einzigartigkeit und Autonomie des Evangeliums bezeugt wird: Ja, es kann auch „Drohbotschaft“ sein (10); es ist lebendig und kräftig und darf nicht eingesperrt werden in den Käfig eines bestimmten religiösen Bewusstseins (These 3 – wider die Schleiermacher-Renaissance). Bei der These 6 frage ich mich, ob hier nicht noch enger formuliert werden muss. Wenn „Visionen von ganz neuen Lebensformen und Kirchen-, Gesellschafts- und Familienmodellen“ verworfen werden, könnte der Einspruch erhoben werden, ob einerseits denn „die alten“ zwingend evangeliumsgemäss sind, und ob andrerseits die Schriftlehrer nicht auch heute noch Altes und Neues aus dem Schatz des Evangeliums beisteuern könnten.* Gemeint sind sicher Lebensordnungen, die sich der streitbaren Rückbindung an das Evangelium tendenziell entziehen.
Ich hoffe, dass dieses Bekenntnis viel Raum gewinnt und Gott Gnade gibt, dass es tatsächlich der Sammlung und Klärung unter uns dient – zu seiner Ehre.
Pfr. Dr. Friedemann Krumbiegel, Krostiz DE

* Diese Kritik wurde unterdessen aufgenommen und die entsprechende Formulierung geändert.

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